Navigation und Service

Interview zum Thema Ausschreibung

Neue Wege im Vergabeverfahren

Interview mit Amtsleiterin Mareike Bodsch und Projektleiter Andreas Beier, im Wasserstraßen-Neubauamt Aschaffenburg verantwortlich für den Neubau der Schleuse Kriegenbrunn

Mareike Bodsch Mareike Bodsch Mareike Bodsch, Amtsleiterin WNA Aschaffenburg

Frau Bodsch, aus Ihrer Sicht als Amtsleiterin - fast zehn Jahre Planungsarbeit – was hat die Arbeit so kompliziert gemacht?

Nun, ein Projekt in dieser Dimension gibt es nicht alle Tage. Wir bauen ja - um ein Jahr versetzt - zwei Schleusen. Die Ausschreibung für die nahezu baugleiche Schleuse Erlangen soll nächstes Jahr veröffentlicht werden. Nicht nur die beeindruckende Größe - mit über 18 Metern Wasserstandsunterschied gehören die beiden Schleusen zu den höchsten in Deutschland – stellt eine echte Herausforderung dar. Auch die Tatsache, dass der Neubau direkt neben einer stark geschädigten Schleuse stattfindet, die bis zur kompletten Fertigstellung weiter von Schiffen durchfahren werden muss, stellt höchste Anforderungen an die Planung.
Auch musste die alte Schleuse zunächst mit Verstärkungskonstruktionen versehen werden, damit sie den benachbarten Schleusenneubau verkraftet und die Sicherheit der Schifffahrt während des Schleusenneubaus gewährleisten ist.

Warum hat man sich dann nicht für einen anderen Standort entschieden?

Wir bauen in der Metropolregion Erlangen, hier sind Flächen knapp. Deshalb galt es, verschiedene Faktoren genau abzuwägen: die Belange der Schifffahrt, die Belastung der Anwohner, die Verträglichkeit für Umwelt und Natur, die technische Machbarkeit und natürlich auch die Kosten. Dabei hat sich der Bauplatz am Standort Kriegenbrunn direkt neben der alten Schleuse als der mit Abstand beste erwiesen.
Das hat natürlich auch eine zeitliche Dimension: Das Planfeststellungsverfahren dauerte über drei Jahre. Gut investierte Zeit, denn es wurde ein starker Konsens unter allen Beteiligten erzielt.

Aber sind das nicht die üblichen Probleme bei der Planung von Großprojekten in Deutschland?

Es handelt sich hier schon um ein besonders großes Projekt. An beiden Schleusen werden wir insgesamt über eine halbe Milliarde Euro verbauen. Dabei haben wir immer auch die Nachhaltigkeit im Blick, denn die Bauten sollen mit geringem Wartungsaufwand eine langandauernde Nutzung ermöglichen.
Und natürlich ist die Ausformulierung der Anforderungen und die Beschreibung der Leistung für den künftigen Bauunternehmer bei einer solchen Mega-Baumaßnahme entsprechend umfangreich. Auf über 500 technischen Plänen, vielen hundert Seiten Baubeschreibung und weiteren Dokumenten sind die Erfordernisse an das Bauwerk genau definiert.
Dabei werden auf Grundlage immer ausgefeilterer Berechnungsverfahren und komplexer technischer Regelwerke die Anforderungen immer größer.
Auch gilt es immer, die neuesten Erkenntnisse und Erfahrungen in das Bauvorhaben mit einfließen zu lassen.

Und wie hat sich Corona auf den Planungsprozess ausgewirkt?

Weniger als man im ersten Moment denkt. Bis zu 70 Prozent unserer Mitarbeiter im WNA-Aschaffenburg haben von zuhause aus arbeiten können. Das hat sehr gut funktioniert. Mit einer leistungsfähigen Serverstruktur und unseren digitalen Konferenzsystemen und viel persönlichem Engagement der Beschäftigten sind wir auch im zweiten Pandemiejahr planerisch gut vorangekommen.

Andreas Beier Andreas Beier Andreas Beier, Projektleiter Schleusenneubau

Herr Beier, was ist denn aus Ihrer Sicht als Projektleiter baulich die größte Herausforderung?

Ganz klar die Baugrube. Die neue Schleuse wird ja in unmittelbarer Nachbarschaft zur alten errichtet. Und hier müssen die ganze Zeit über weiter Schiffe geschleust werden. Deshalb ist es von extremer Bedeutung, dass die Bestandsschleuse nebenan in keiner Weise von den Baumaßnahmen tangiert wird. Das ist eine echte Herausforderung bei einer über 30 Meter tiefen Baugrube. Diese liegt zu allem Überfluss auch noch zur Hälfte im Grundwasser, so dass sie dicht sein muss, sich nicht verformen darf und trotz allem genügend Platz und Bewegungsspielraum für das Herstellen der neuen Schleuse aufweist. Für eine solch außergewöhnliche und große Baugrube gibt es in Deutschland kaum Vergleichbares.

Die jetzige Schleuse Kriegenbrunn hat ja gerade mal die Hälfte der geplanten Nutzungszeit von 100 Jahren erreicht. Was wollen Sie beim Neubau der Schleuse anders machen, um eine längere Nutzungsdauer zu erzielen?

Dass die alte Schleuse schon nach 40 Jahren baufällig ist, hat mehrere Ursachen. Zum einen war es in den 1960er Jahren Ziel, beim Bauen auf sparsamsten Materialeinsatz zu achten. Das führte zu sehr schlanken Schleusenwänden. Das Füllen und Entleeren der Kammer zum Schleusen der Schiffe führte zu deutlichen Bewegungen und schon bald zu Schäden am Stahlbeton. Heute wissen wir, dass man für sparsamen Materialeinsatz teuer bezahlt. Die jetzt geplanten Bauteile sind viel robuster und mit großen Reserven bei der Belastbarkeit geplant.
Auch haben sich bei der Altschleuse insbesondere die Fugen zwischen den Stahlbetonblöcken bei großem Wasserdruck als anfällig erwiesen. Gerade deshalb wollen wir den Neubau so weit wie möglich fugenfrei gestalten, was natürlich zu höheren Anforderungen an das Bauen selbst führt.

Welche „neuen“ Wege werden Sie denn bei der Vergabe einschlagen?

Gerade die außergewöhnlich große Baugrube mit ihren hohen Anforderungen erfordert nicht nur höchste Sorgfalt bei der Planung, sondern auch bei der baulichen Umsetzung. Und so ist es aus unserer Sicht unerlässlich, die optimale Lösung gemeinsam mit dem Bauunternehmen und dessen Fachkompetenz zu erarbeiten.
Hierfür haben wir uns für ein Vergabeverfahren entschieden, das nicht einfach das wirtschaftlichste Angebot auf eine vorgegebene Planung beauftragt. Nein, wir werden mit mehreren Bietern in Gesprächen gemeinsam eine Baugrubenplanung entwickeln, die perfekt auf das Know-how und die Geräte der Baufirmen zugeschnitten ist. Natürlich übernehmen die Bieter damit auch mehr Verantwortung, es sind gemeinsame Lösungen, die zur Umsetzung kommen und die müssen auch gemeinsam verantwortet werden. Diese Verhandlungen dauern zwar länger, aber sie führen für die einzigartige Baugrube zu einer optimalen Lösung – für das Bauunternehmen und für uns als Bauherr.

Wann rechnen Sie denn mit einem Baubeginn?

Das hängt natürlich in erster Linie von den Bietern ab. Wir werden mehrere Verhandlungsrunden durchführen. Damit die Qualität der Planungen passt, müssen die Bieter genügend Zeit haben. Wir haben etwa eineinhalb Jahre veranschlagt, bis die endgültigen Angebote vorliegen und der Auftrag erteilt werden kann. Das wird Ende 2023 sein.

Und wann ist die neue Schleuse fertig?

Die Bauzeit wird etwa sechs Jahre betragen. Dann wird die neue Schleuse getestet und für den Verkehr freigegeben. Etwa vier Jahre später, wenn sich die neue Schleuse bewährt hat, erfolgt der Rückbau der alten Schleuse und die Renaturierung des alten Schleusengeländes. Bis zum Projektabschluss ist es also noch ein langer Weg. Aber mit der Veröffentlichung der Ausschreibung haben wir einen entscheidenden Meilenstein erreicht.

Danke für das Interview und viel Erfolg auf der Suche nach dem besten Bauunternehmen.

Animation Schleuse Kriegenbrunn alt und neu Animation Schleuse Kriegenbrunn alt und neu Animation Schleuse Kriegenbrunn alt und neu